Der Baum als Wildtierkosmos

An zwei spannenden Vorträgen in Altstätten und Buchs diese Woche beleuchtete die Wildtierbiologin Dr. Sandra Gloor die herausragende Rolle von Bäumen für die Biodiversität im Siedlungsraum. Mehr als 100 Interessierte erfuhren, wie Bäume in Städten, Dörfern und Quartieren als wichtige Lebensräume für eine Vielzahl von Wildtieren fungieren. Eingeladen zu den Vorträgen hatte der Verein Pro Riet Rheintal in Zusammenarbeit mit der Stadt Altstätten, der Stadt Buchs und dem Natur- und Vogelschutzverein Buchs-Werdenberg.

Zusammen mit ihrem Team hat Gloor in einer Studie den ökologischen Wert von Stadtbäumen untersucht und den Biodiversitätsindex für häufig gepflanzte Stadtbäume entwickelt. Im Vortrag ging sie der Frage nach, was einen Baum für die Biodiversität im Siedlungsraum so wertvoll macht. Sie erklärte, dass Bäume durch ihre Kronen, Blätter, Knospen, Blüten, Pollen, Früchte, Nüsse, Samen, das Totholz, die Nischen oder den Wurzelraum wertvolle Lebensräume bieten. Hier leben Vögel und Fledermäuse, Käfer und Bienen, Eichhörnchen und Haselmäuse, Moose und Flechten. “Im Baum finden sie Nahrung und Nistplätze – ein Baum ist ein wahrer Wildtierkosmos”, erläuterte Gloor. So beherbergen gemäss Gloor beispielsweise Eichenarten über 1000 Organismen, die darauf leben.

Schutz und Pflege alter Bäume

Im Rahmen ihres Vortrags hob Gloor die Bedeutung alter Bäume hervor und erläuterte, warum es sich lohnt, sich für deren Erhalt einzusetzen und frühzeitig Ersatzpflanzungen zu planen. Sie verdeutlichte, dass eine 100-jährige Eiche selbst durch 100 10-jährige Eichen nicht ersetzt werden kann, um dieselben ökologischen Leistungen zu erbringen. Mit ihrem fortgeschrittenen Alter entwickeln Bäume nämlich komplexe Strukturen wie Höhlen, Risse und Moosbewuchs, die wertvolle Lebensräume für zahlreiche Tierarten darstellen. Diese Strukturen bieten Nistplätze für Vögel, Verstecke für kleine Säugetiere und Lebensraum für Insekten. „Bäume sind Multiplikatoren von Lebensraum“, erklärte Gloor. „Je älter und grösser der Baum, desto grösser der Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten. Alte Bäume sind aufgrund ihres riesigen Volumens umso wertvoller.“

Einheimische Baumarten und Vielfalt

Gloor wies auch auf die Bedeutung der Baumart für die Biodiversität hin. Einheimische Bäume wie Linden, Eichen, Ahornarten und Weiden bieten besonders vielen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum, während andere Arten weniger wertvoll sind. Nicht heimische Baumarten können ebenfalls zur Biodiversität beitragen, müssen jedoch sorgfältig ausgewählt werden, um das ökologische Gleichgewicht nicht zu stören. Die Wildtierbiologin empfahl, Bäume mit einem hohen Biodiversitätsindex zu pflanzen und Wildformen zu verwenden. Sie warnte vor invasiven Neophyten und betonte die Notwendigkeit, bei der Pflanzung auf Baumvielfalt zu setzen. „Auf Plätzen, in Parks oder Alleen sollten wir vermehrt verschiedene Baumarten pflanzen, anstelle von Monokulturen“, so Gloor. „Vielfalt ist für die Biodiversität besonders spannend.“ Einerseits bedeutet mehr Baumvielfalt mehr Lebensraumvielfalt. Andererseits minimiert man bei Auftauchen von Schadorganismen das Risiko alle Bäume gleichzeitig zu verlieren.

Im Anschluss an die Vorträge hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit sich beim Apéro auszutauschen und sich am Pro Riet-Infotisch zu den vielfältigen Naturschutzprojekten des Vereins und den aktuellen Angeboten zu informieren.